Insektenparadies? Der Solarpark Haid bei Leutkirch

Solarparks verbinde ich nicht automatisch mit Insekten. Dabei können sie wichtige Lebensräume für die Tiere sein – wenn Planer und Betreiber es richtig machen. Wie sieht es im Solarpark Haid bei Leutkirch im Allgäu aus?

Arterfassung im Solarpark

Auf dem Gelände ist Richard Engelschall zusammen mit Marc Bulte schon früh unterwegs. Für ein Artenportrait im Rahmen des GEO-Tags der Natur wollen die Biologen nicht nur Vögel, sondern auch Tagfalter, Libellen, Wildbienen und Grabwespen erfassen. Außerdem hat Richard Engelschall mehrere Horchboxen aufgestellt, um die Rufaktivitäten der Fledermäuse aufzunehmen.

Der Solarpark Haid hat eine Eigenart: er wurde auf einer verfüllten Kiesgrube aufgebaut. Der Untergrund ist magerer Kies mit einer dünnen Bodenschicht darüber. Richard Engelschall erwartet hier Pflanzenarten, die die Nährstoffarmut lieben. Denn so ist es auch in der Genehmigung verankert: Solange das Areal ein Solarpark ist, soll hier eine magere und deshalb blumen- und kräuterreiche „Extensiv-Wiese“ entstehen.

„Eine passende Leitart – die Zauneidechse – haben wir auch schon entdeckt“ erzählt der Biologe. „Und zwar dort, wo die Betreiber Reptilienverstecke angelegt haben: Einfache Steinhaufen mit einem Wurzelstock drauf, daneben eine Kiesfläche. Gut wäre hier noch ein schöner Sandplatz für die Eiablage, dann funktioniert auch die Kombination aus Sonnenplatz und Winterquartier. Und immer obendrauf ein „bissle“ Reisig als Schutz gegen Greifvögel.“

Wo sich das Wasser sammelt

Richard Engelschall geht mit mir leicht bergab durch das nasse Gras, bis meine Schuhe komplett durchweicht sind und wir zu einem 100 Meter langen Feuchtbiotop gelangen. Auch das ist künstlich angelegt. „Feuchtgebiete sind immer Highlights für den Naturschutz – weil in den letzten 60-70 Jahren ein sehr hoher Prozentsatz aller Feuchtgebiete trockengelegt worden sind. Die Lebewesen, die da drin waren, sind jetzt umso gefährdeter. Wenn Feuchtgebiete wiederhergestellt werden, ist das für den Naturschutz auf jeden Fall ein Gewinn.“

Welche Schlanklibellenart könnte das sein? Richard Engelschall schaut auf die Musterung des zweiten Hinterleibsegments. Foto: Ralf Schreiber

Der Biologe schätzt, dass das Biotop um die tausend Frösche beherbergt. „Und es werden etliche Libellen sein. Wir können bei den Libellen jetzt nur den Frühjahrsaspekt sehen“ schränkt er ein. In den kommenden zwei bis drei Monaten erwartet er weitere Tierarten, gerade was die Libellen betrifft. Etliche Arten sind im Juni einfach noch nicht geschlüpft.

Mohrenfalter lieben Schotter

„Auch für Tagfalter sind diese neu angelegten Magerrasen interessant, weil wir hier einen Blütenreichtum haben, den man normalerweise in Wirtschaftswiesen eben nicht hat.“ Den Frühlingsmohrenfalter (Erebia medusa) hat der Biologe schon entdeckt. „Wir haben hier in Bayern ungefähr 25 Mohrenfalterarten, und die schauen alle zapfengleich aus. Ich kann die deshalb auseinanderhalten, weil diese Art jetzt als erste im Jahr erscheint.“

Mohrenfalter kommen eher in den Bergen vor und sind perfekt an die dortigen Gegebenheiten angepasst: Mit ihren dunklen Flügeln können sie die dort vorhandene „Schmalspurwärme“ effektiv nutzen. Nährstoffarme Böden und die Tatsache, dass weder Mineraldünger oder Pestizide ausgebracht werden dürfen, fördern ihr Erscheinen.

Mohrenfalter I Foto: Gilles San Martin, CC BY-SA 2.0

Wache Augen sehen alles

Nicht allen Bewirtschaftern von Solarparks ist der Naturschutz gleichermaßen wichtig. „Wir kennen Parks, wo der Bauer, der die Grünfläche pflegt, in gewohnter Manier spritzt. Er hat die Mittel halt, und die wendet er eben an.“ Geprüft wird das nicht, die Unteren Naturschutzbehörden in Bayern haben einfach keine Zeit für aufwändige Vor-Ort-Kontrollen. Richard Engelschall weiß aber, dass vieles doch ans Licht kommt. „Es gibt nämlich viele interessierte Leute, die kennen ihren Heimatort. Die sehen alles und melden das. Die Kontrolle durch die Bürger hilft.“

Ein Refugium für Insekten

Insgesamt ist der Biologe mit der Entwicklung der Artenvielfalt im Park zufrieden. Durch das Feuchtbiotop und den Magerrasen entwickelt sich im Solarpark Haid nach und nach mehr Biodiversität bei den Insekten. „Man muss immer bedenken, dass hier vorher Kies oder bei anderen Parks Acker war. Das ist auf jeden Fall eine Verbesserung. Wenn da allerdings vorher ein Truppenübungsplatz mit Heidelandschaft wie im Solarpark Eggesin war, dann war das schon vorher top und bleibt auch später als Solarpark top.“

Wie sieht es in anderen Solarparks aus? Hier mein Besuch im Solarpark Esting/Bayern und mein Blogbeitrag zum Insektenparadies Solarpark.

Frösche zählen im solarparkeigenen Feuchtbiotop. Foto: Nicola Wettmarshausen, CC-BY-NC-ND

Weitere Fotos: Nicola Wettmarshausen, CC-BY-NC-ND

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