Insektenparadies? Der Solarpark Esting bei Olching

Solarparks verbinde ich nicht automatisch mit Insekten. Dabei können sie wichtige Lebensräume für die Tiere sein – wenn Planer und Betreiber es richtig machen. Wie sieht es im Solarpark Esting bei Olching in Bayern aus?

Vom Acker zum Solarpark

Eingerahmt zwischen Bundesstraße und S-Bahntrasse liegt der Solarpark Esting (Gemeinde Olching, ca. 25 km nordwestlich von München). Bis vor zehn Jahren wurde das fünfzehn Hektar große Gelände als Acker genutzt, der konventionell – Fachleute nennen es „intensiv“ – bewirtschaftet wurde. Die Fläche wurde gedüngt und die Feldfrüchte mehrfach im Jahr gegen Schädlinge und Pflanzenkrankheiten gespritzt. Auch die Flächen drum herum werden als Äcker genutzt.

Im Umweltbericht wurde dem Gelände damals eine geringe Artenvielfalt bescheinigt und festgehalten, dass die Fläche eine geringe Bedeutung für den Arten- und Biotopschutz aufweist. Dass sich die Vielfalt an Pflanzen und Tieren durch die Umnutzung erhöhen würde, hatte man damals nicht erwartet. Wie sieht die Situation dort heute aus?

Streifzüge mit dem Kescher

Im Rahmen einer Artenerfassung für den GEO-Tag der Natur hat Ralf Schreiber schon früh morgens Plastikbecher in den Boden eingegraben, um Käfer und Spinnen zu sammeln. Anschließend ist er mit dem Kescher durch die Modulreihen gestreift, auf der Suche nach fliegenden Insekten. Jetzt begleite ich ihn während einer öffentlichen Führung über das Gelände. „Das bayrische Landesamt für Umwelt hat die letzten Art-Kartierungen ausgewertet und festgestellt, dass es selbst in Schutzgebieten rapide abwärts geht mit der Vielfalt“ startet Ralf Schreiber seinen Rundgang. „Es ist höchste Zeit, etwas gegen das Insektensterben zu tun. Deswegen sind solche Flächen einfach eine tolle Sache. Hier wird nicht gedüngt und gespritzt, hier ist es mager – relativ zumindest.“

Leben in der schattigen Zone

Im Solarpark gibt es zwei unterschiedliche Zonen: Der besonnte Bereich zwischen den Modulen und die schattige Zone darunter. Was wächst da – und wer lebt dort?

Zwischen den Solar-Modulen findet Ralf Schreiber Nachtfalter wie der Ockergelben Blattspanner, der auch tagaktiv ist. Oder den Kleinen Heufalter, der die sonnigen, offenen Bereiche zwischen den Modulen mag. Dort wachsen Gräser wie Rispengras und Schwingel, die seinen Raupen als Nahrung dienen. Den Gemeinen Bläuling kann der Biologe auch ohne Kescher leicht erkennen, denn die Männchen sind blauviolett gefärbt und von den orange-braunen, unauffälligeren Weibchen leicht zu unterscheiden.

Der Kleine Fuchs hingegen hat andere Vorlieben. Seine Raupen fressen die unter den Solarmodulen wachsenden Brennnesseln, deshalb legt er dort seine Eier ab. Wildbienen gibt es hingegen eher weniger. Es kann daran liegen, dass sie oft auf bestimmte Futterpflanzen spezialisiert sind. Oder es liegt am steinigen Boden, der sich zum Wildbienen-Nestbau weniger eignet als offene, krümelige Lößböden, wie sie an Wegkanten vorkommen können.

Ödlandschrecken in der Sonne

Dafür findet Ralf Schreiber ein paar Larven der Blauflügeligen Ödlandschrecke – eine Heuschreckenart, die sich auf den offenen und warmen Schotterflächen wohlfühlt und bayernweit als gefährdet gilt. Ihr Vorkommen hat den Biologen überrascht, denn die steinigen Bereiche, auf denen fast gar nichts wächst, sind hier sehr kleinflächig. Die Tiere brauchen aber gerade diese offenen Bereiche, da sie eigentlich nur auf dem Boden krabbeln und keine Grashalme erklimmen. Aufgrund ihrer Färbung sind sie auf dem schottrigen Untergrund gut getarnt. Werden sie gestört, fliegen sie auf und zeigen dabei ihre blau-transparenten Unterflügel.

Kräuter auf den Schotterwegen

Auf der Suche nach Pflanzen gehen wir einen breiten Schotterweg zwischen den Modulreihen entlang. Direkt am Rand des Weges blüht es: Kräuter wie Oregano und Wiesen-Salbei sind zu finden, sie lieben die nährstoffärmeren und warmen Zonen. „Schätzungsweise 60 Arten habe ich schon gesichtet. Also wenn es um die Pflanzen-Biodiversität geht, haben wir hier auf jeden Fall eine Aufwertung im Vergleich zu vorher“ erzählt der Biologe Gerhard Suttner, der sich im Rahmen der Artenerfassung um die Flora kümmert.

Währenddessen sammelt Ralf Schreiber einige Krabbler aus dem Kescher und lässt sie über seine Hand laufen. „Die sehen auf den ersten Blick aus wie Käfer. Wenn sie aber genau hinschauen, gibt es da vorn am Kopf einen Stechrüssel – das Kennzeichen für Wanzen. Bei denen gibt es eine enorme Formen- und Artenvielfalt.“ Der Biologe dreht sich um und schwingt in einer schnellen Bewegung seinen Käscher über die Gräserspitzen. „Was ich hier jetzt gefangen habe, sind bestimmt 30-40 verschiedene Arten. Für die Wanzen ist das hier ein Paradies – ebenso wie für die Schmetterlinge.“

Lauter Wanzen. Foto: Nicola Wettmarshausen, CC-BY-NC-ND

Aushagern hilft – kostet aber

Könnte man die Artenvielfalt auf der Fläche noch erhöhen? Davon sind beide Biologen überzeugt. Je mehr Nährstoffe man den Böden hier entziehen würde, desto mehr Blütenpflanzen würden wachsen und desto schütterer wird das Gras. „Aushagern“ nennen es die Fachleute, praktisch heißt das mähen und dann das Mähgut abtransportieren, so dass die Pflanzenmasse nicht als Düngung auf der Fläche liegen bleibt. Arbeitsschritte, die Zeit und Geld kosten und vom Pächter in diesem Park derzeit nicht umgesetzt werden.

Schafe können die Lösung sein – aber nur stundenweise

„Wie kann man die Wiese sonst noch besser machen?“ frage ich Gerhard Suttner. „Mit Schafen“ antwortet der und erläutert mir, wie man dabei früher vorgegangen ist. „Die historische Huteweide hat dazu geführt, dass man dort, wo die Schafe gefressen haben, dem Nährstoff bewusst entnommen hat. Danach wurden die Schafe in einen Pferch gestellt auf einen Ackerboden, um den zu düngen. Will man das im Solarpark umsetzen, darf man die Schafe nur stundenweise äsen lassen und muss sie dann von der Fläche wegbringen. Sonst gibt es, was die Nährstoffe angeht, nur einen Verschiebebahnhof.“

Das Mähen hält er allerdings für praktikabler. „Wenn man wirklich aushagern will, um mehr Blütenpflanzen zu bekommen, ist eine Sommermahd im Juni oder Anfang Juli das Beste. Und natürlich muss das Grüngut weggefahren werden. Da sind die ganzen Nährstoffe in den Stängeln und Halmen, und so bekommt man die gut raus.“ Der Biologe weist auf die Fläche unter den Modulen: „Hier sieht man es ganz deutlich: Das alte Gras düngt die Fläche und lässt dann wieder nur Brennnesseln und Trespen wachsen.“ Was bedeutet das für die Biodiversität im Park?

Gerhard Suttner zeigt Besuchern die Pflanzenvielfalt im Solarpark. Foto: Nicola Wettmarshausen, CC-BY-NC-ND

Vielfalt schaffen durch Plätze in der Sonne

Für die Pflanzen- und Insektenvielfalt sind die verschatteten Flächen direkt unter den Solarmodulen eher uninteressant. Es geht um die besonnten Bereiche. Und je breiter die Wiesenstücke zwischen den Modulen sind, desto besser ist es für den Artenreichtum in Solarparks. In Esting hat man breite Abstände gelassen – es gibt also viele besonnte Flächen. Und wenn jetzt noch mehr ausgehagert wird, dann gibt es in Zukunft auch mehr Blüten – und damit noch mehr Insekten. Einen weiteren Vorteil hätte dies auch für den Betreiber des Solarparks: Es müsste von Jahr zu Jahr weniger gemäht werden, was langfristig wieder Kosten spart. Eigentlich eine klassische „Win-win-Sitiation“ – gut fürs Budget und für die biologische Vielfalt.

Wie sieht es in anderen Solarparks aus? Hier mein Besuch im Solarpark Haid/Leutkirch und der Blogbeitrag zum Insektenparadies Solarpark.


Headerfoto: Nicola Wettmarshausen, CC-BY-NC-ND

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