Solarparks verbindet nicht jede*r automatisch mit Insekten. Dabei können sie wichtige Lebensräume für die Tiere sein – wenn Planer und Betreiber*innen es richtig machen. Wie können Solarparks zu besseren Lebensräumen für Insekten werden?
Vom Dach auf den Boden
Früher wurden Solarmodule hauptsächlich auf Dächer aufgesetzt. Mit einer Änderung des Erneuerbare-Energien- Gesetzes (EEG) 2004 änderte sich die Lage: Auf einmal wurde es wirtschaftlich attraktiv, Solarmodule auch auf Bodenflächen zu installieren. So entstanden die ersten größeren, EEG-geförderten Solarparks und damit die Frage, was das für den Natur- und Artenschutz bedeuten wird.
Das EEG fördert Solarparks auf ehemaligen Truppenübungsplätzen, Industriebrachen, Müllhalden, Kiesgruben oder auf Grünstreifen entlang von Autobahnen und Bahnlinien (sogenannte Konversionsflächen, siehe EEG). Sie in Naturschutzgebieten einzurichten, ist dagegen nicht erlaubt. Zahlreiche Naturschutzvereine und Verbände haben in den letzten Jahren Empfehlungen ausgesprochen, wie der Naturschutz bei den Planungen berücksichtigt werden kann und soll.
Verschärfte Klimaziele machen den Weg frei
Auch landwirtschaftliche Äcker können genutzt werden und jedes Bundesland darf dazu eigene Verordnungen erlassen. In Baden-Württemberg beispielsweise dürfen Acker- und Grünland-Flächen nur in „benachteiligten landwirtschaftlichen Gebieten“ für Photovoltaik genutzt werden, denn BW möchte das Klimaziel von 30 Prozent Solarenergie bis 2050 unbedingt erreichen. Da aber fast 70 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen als „benachteiligt“ eingestuft werden, wird diese Einschränkung wieder ein stückweit aufgeweicht.
Der Solarpark als Interimsnutzung
Was genau vor Ort gemacht werden darf und was nicht, steht im Bebauungsplan, den jede Firma oder Kommune vorab einreicht. Der darin enthaltene Umweltbericht muss Behörden, Naturschutzverbänden und der Öffentlichkeit vor dem Bau zur Stellungnahme vorgelegt werden. In diesem Plan steht auch, dass ein Solarpark nicht für die Ewigkeit geplant ist: Nach 30-40 Jahren wird er zurück gebaut und der ursprüngliche Acker oder das Grünland muss wiederhergestellt werden.
Magerkeit fördert Artenvielfalt
Wie wertvoll sind Ackerflächen – aus Insektensicht betrachtet? Ist die Fläche konventionell bewirtschaftet, wächst dort beispielsweise nur Raps oder nur Mais als Energiepflanze. Da es über einen Zeitraum von mehreren Monaten dort nur wenig Nahrungsalternativen für Insekten gibt, tummeln sich entsprechend wenig unterschiedliche Spezies darauf. Und dadurch, dass der Boden immer wieder mit schwerem Gerät bearbeitet wird, können sich bodenliebende Wildbienen und Käfer gar nicht erst entwickeln.
In Deutschland sind viele Böden überdüngt, wir haben einen durchschnittlichen Überschuss von über 90 Kilogramm Stickstoff von pro Hektar im Ackerboden. Ein Zuviel an Stickstoff hat langfristig negative Auswirkungen auf die Vegetation und ihre Artenzusammensetzung: Pflanzen, die nährstoffarme Bedingungen brauchen, können durch stickstoffliebende Arten verdrängt werden. Zu viel Stickstoff im Boden ist eine bedeutsame Ursache für den zunehmenden Rückgang der biologischen Vielfalt.
Was passiert, wenn aus einem intensiv gedüngten Acker jetzt ein Solarpark wird? Wird das Düngen gestoppt, haben viele Magerrasen-Pflanzenarten wieder eine Chance. Deshalb schreiben PV-Anlagenbetreiber die extensive Nutzung des Grünlands in ihre Bebauungspläne mit hinein. Damit legen sie fest, dass die entstehenden Wiesen nur ein- bis zweimal im Jahr gemäht und die Mahd anschließend abgeräumt werden soll. Der Boden unter und zwischen den Solarpaneelen wird dadurch Jahr für Jahr nährstoffärmer und die Wiese zugleich immer blütenreicher. So kann eine Magerwiese entstehen, auf der viel Nektar, Pollen und Eiablageplätze für Insekten angeboten werden können. Je karger, desto besser ist dabei die Devise. Eine weitere Vorschrift, nur gebietseigenes Saatgut zu verwenden, soll diese Entwicklung zusätzlich unterstützen.
Mehr Insekten ohne Pflanzenschutzmittel
Ein weiteres Thema sind Pflanzenschutzmittel: Auf normalen Äckern dürfen Herbizide (Glyphosat und Co.) ausgebracht werden, um Unkräuter auszulöschen. Sogar auf Äckern, die Mais für Biogasanlagen produzieren! Das Problem dabei ist nicht nur die Kontamination des Bodens, sondern auch die Zusammensetzung der Pflanzengemeinschaften an sich – sie verarmen, wenn nur die resistenten Arten überleben. Schreiben Bebauungspläne hingegen fest, dass die Nutzung von Pflanzenschutzmitteln in Solarparks verboten ist, unterstützen sie dadurch die Entstehung einer artenreichen und für Insekten wertvollen Wiese neben und zwischen den Modulen.
Ökologisch wertvoll: Militärgelände
In Deutschland gibt es 630 militärische Flächen. Nur ein Drittel wird derzeit noch durch die Bundeswehr genutzt, zwei Drittel wurden bereits aufgegeben. Darunter einige, die in den letzten Jahren einem Solarpark umgewandelt worden sind.
Begriffe wie Truppenübungsplatz oder militärisches Sperrgebiet könnten uns vermuten lassen, dass eine solche Fläche ökologisch wertlos ist. Doch sind es häufig große Flächen, die jahrzehntelang weder durch Straßen- oder Hausbau, durch Landwirtschaft noch durch Freizeitgäste und Wanderer gestört wurden. So konnten Tier- und Pflanzengemeinschaften besonders in Ostdeutschland auf ehemaligen Militärflächen Rückzugsgebiete finden und sich ungestört entwickeln.
Panzerspuren und offene Flächen
Nicht nur Luchse, Wölfe und Wildkatzen fühlen sich auf Militärflächen wohl: Im Solarpark Finow (ehemaliger Flugplatz) wurden im Rahmen einer Kartierung 60 Prozent der in Brandenburg vorkommenden Heuschreckenarten gezählt, bei Tagfaltern waren es 40 Prozent (siehe Studie). Auch kleine Brände oder Bodenverwundungen, die etwa durch Panzerfahrten entstanden sind, sind ökologisch wertvoll. Sie bilden zusammen mit einem Wechsel von sandigen Brachflächen und Wäldern ohne Holznutzung eine Vielfalt an Lebensraumarten (Naturschutz und Militär). Eine Nachnutzung als Solarpark kann diesen Zustand erhalten und sogar verbessern.
Ohne Gründüngung geht’s besser
Diese zwei Zonen gibt es in jedem Solarpark: Die besonnte Zone zwischen und den schattige Zone unter den Modulreihen. In der sonnigen Zone fühlen sich eine Vielzahl von Insekten wohl als in der Schattenzone, wo weniger Pflanzen- und damit auch weniger Insektenarten leben. Vor allem dann, wenn zwar gemäht, aber das Heu unter den Modulen aus Kostengründen nicht weggeräumt wird. Dann fungiert das Heu als Gründüngung und lässt lediglich Brennnesseln oder Löwenzahn wachsen. Diese Arten wachsen schnell und können langsamer wachsende Pflanzen verdrängen. Möchte man etwas für die Insektenvielfalt im Solarpark tun, sollte man das Heu unter und zwischen den Modulen in jedem Fall entfernen.
Insel der Biodiversität
Ob Solarparks wertvoll für die Insektenvielfalt sind, hat diese Studie untersucht. Sie kommt zu dem Schluss, dass sich Solarparks positiv auf die Biodiversität auswirken können. Dabei kommt es aber zum einen darauf an, zu welchem Zweck die Fläche bislang genutzt wurde: War es ein Acker mit viel Düngung und Pestizideinsatz? Dann können wir die Insektenvielfalt auf jeden Fall erhöhen, wenn das Grünland dauerhaft extensiv bewirtschaftet wird. Zum anderen spielt der Reihenabstand der Module eine Rolle: Je breiter sie besonnten Streifen sind – zweieinhalb Meter und mehr sind ideal in der Vegetationsperiode – desto besser ist das für die wärmeliebenden Insekten.
Solarparks können sogar eine Insel der Biodiversität sein, so dass die Arten sich vom Solarpark auf die umliegenden Flächen ausbreiten können. Für die Landwirtschaft hat das den Vorteil, dass die Anzahl bestäubender Insekten – Wildbienen und andere – auch auf ihren Flächen zunimmt. Eine englische Studie kommt zu ähnlichen Ergebnissen und belegt, dass die Artenvielfalt bei Tagfaltern und Hummeln im Solarpark leicht erhöht und die Anzahl der Tiere im Vergleich zur umliegenden Agrarfläche erheblich höher war.
Insektenreich – die Zukunft der Solarparks
Zwar sind derzeit nur 0,08 Prozent der Flächen in Deutschland mit Solar-Freiflächenanlagen bebaut (Stand 2020). Doch dies wird sich in den kommenden Jahren ändern. Viele weitere Solarparks werden in Zukunft entstehen müssen, wenn die Bundesrepublik Ihre Klimaziele erreichen will. Darum müssen wir überlegen, wie wir Solarparks noch insektenfreundlicher und allgemein biodiverser gestalten können.
Die Studie von Tim und Rolf Peschel, Martine Marchand und Jörg Hauke empfiehlt mehr Forschung. Vorgeschlagen wird ein kontinuierliches Insekten-Monitoring über einen längeren Zeitraum, um aussagekräftige Zahlen zu bekommen. Außerdem schlagen sie eine standardisierte Datenerhebung und ein zentrales Kataster vor, wie es auch das Bundesamt für Naturschutz fordert. Die Studie sieht darin die Chance, Best-Practice-Methoden zu finden und verfügbar zu machen, damit die Betreiber und Planer diese direkt praktisch anwenden können.
Außerdem geht es um mehr Aufmerksamkeit für Alle. Ein Event wie den GEO-Tag der Natur 2021, der Artenerhebungen in vielen Solarparks gleichzeitig durchführte, lenkt den Blick auf das Thema Insektenvielfalt – und darauf, die Natur vor unserer Haustür mit anderen Augen zu sehen.
Was wir vor Ort tun können
Solarparks haben einen Nachteil: Sie sind mit einem Zaun umgeben und normalerweise nicht begehbar. Und das ist gut so, denn nur so können Insekten, bodenbrütende Vögel und andere Arten in Ruhe leben. Was können wir also tun?
Wir können die Bebauungspläne lesen. Die werden beispielsweise auf den Webseiten der Kommunen veröffentlicht und zeigen uns, ob die Anlagenbetreiber sich für Insektenvielfalt einsetzen oder sogar ein Biotop einrichten wollen. So können wir mitreden, welche naturschützenden Maßnahmen zusätzlich formuliert werden müssen, damit der Artenschwund – nicht nur bei Insekten – gestoppt und langfristig umgekehrt werden kann.
Headerbild: Bundesverband Neue Energiewirtschaft e.V.