Ob unser Insekten-Monitoring-Ansatz auch als Lernstoff für die Schule taugen kann? Dies haben wir vor kurzem zum ersten Mal mit einer kleinen Gruppe von Lehrenden am Umweltbildungszentrum Listhof getestet.
Denn mithilfe unseres interdisziplinären Forschungsprojekts können Menschen nicht nur einiges über Insekten lernen (Artenkenntnis, Verhalten, Lebensweise), sondern ebenso unsere eingesetzte Sensorik (Kamera, Wingbeat) testen und ausprobieren, wie gesammelte Daten mithilfe künstlicher Intelligenz ausgewertet werden können.
Um das Themenfeld erlebbar zu machen, hatte Alexandra Stadel einen Workshop mit drei Mitmach-Stationen geplant. Lehrende aus den Fachbereichen Informatik, Physik und Biologie konnten unseren Prototyp praktisch ausprobieren und überlegen, wie sie das Thema Insektenerkennung mit KI im schulischen und außerschulischen Lernkontext praktisch umsetzen können.
Station 1: Künstliche Intelligenz
Mit einem an der Berliner Hochschule für Technik geschriebenen Computerprogramm können wir der KI sozusagen über die Schulter schauen: Noch ist sie für vier Fahrzeugtypen konzipiert, aktuell wollen wir sie auf die Unterscheidung von Insekten umprogrammieren. Dazu haben wir am Listhof und in Berlin bereits viele Insektenzeichnungen gesammelt, die jetzt auf das KI-Training warten.
Dabei ordnet die Software das Gezeichnete einem der vier Fahrzeugtypen zu: LKW, Fahrrad, Roller, PKW. Schon ein einfaches Rechteck wird als LKW klassifiziert, aber sobald Räder dazukommen und jeweils eine seitliche Box, wird das gezeichnete Objekt als PKW erkannt.
Heatmaps zeigen, worauf die KI gerade „guckt“, also an welchen Strukturen sie sich orientiert. Frank Haußer erläuterte das spannende Live-Experiment, das zum Spielen mit Merkmalen und Formen einlädt und helfen kann, künstliche Intelligenz auch für Lernende erlebbar zu machen.
Einsatzmöglichkeit in der Schule:
Die Anwendung kann in allen Jahrgangsstufen (Klasse 5-13) eingesetzt werden.
Station 2: Sensorik – Wingbeats-Messung
Mit diesem Aufbau konnten die Lehrenden die einzelnen Arbeitsschritte für die Aufnahme von KI-Trainingsdaten praktisch nachvollziehen und selbst ausprobieren: Mit im Krabbeltierhaus selbstgezüchteten Tagfaltern, einer Insekten-Holzbox mit aufgesetztem Wingbeat-Sensor und einer von Martin Tschaikner an der BHT weiterentwickelten Steuerungssoftware (Multisensor-Bokeh-App, siehe Gitlab) gingen wir an den Start.
Zusätzlich fingen wir Insekten aus der Umgebung – die es ja am Listhof reichlich gibt – mit dem Kescher ein und brachten sie dazu, sich im Holzkasten auszuruhen, bevor sie wieder ins Freie flogen und uns dabei wertvolle Informationen über die Frequenz ihres Flügelschlags hinterließen.
Einsatzmöglichkeit in der Schule:
Die Station bietet ein fächerübergreifendes Lernfeld (Biologie, Informatik und Physik) und könnte daher in NWT, AGs oder fächerübergreifenden Projekten eingesetzt werden. Ein Biologielehrer schlug vor, Insekten einerseits klassisch zu bestimmen, andererseits per Wingbeat und KI erkennen zu lassen und die Ergebnisse anschließend im Unterricht miteinander zu vergleichen.
Station 3: Sensorik – Optik
Momentan wollen wir Insekten mit mehreren Kameras fotografieren. Doch krabbelnde Insekten per Kamera aufzunehmen mit dem Ziel, die Fotos anschließend per KI auszuwerten, ist eine echte Herausforderung. Bei Kameras mit Rolling Shutter (RaspberryPi-Kameras) werden schnell bewegte Objekte verzerrt dargestellt, weil die Bilddaten zeilenweise ausgelesen werden.
Im Insektentunnel verwenden wir deshalb LEDs, die sehr kurze Lichtblitze synchronisiert aussenden. Eine weitere Herausforderung ist die homogene Ausleuchtung ohne Schatten, die eine diffuse Beleuchtung notwendig macht.
Einsatzmöglichkeit in der Schule:
Die Station eignet sich sehr gut für den Physikunterricht, da optische Phänomene anhand eines konkreten Problems aus der Forschung (Insektenerkennung) praktisch erfahrbar gemacht und im Unterricht oder im Rahmen einer AG ausprobiert werden können.
Wie kann Insektenerkennung als Thema in der Schule funktionieren?
Darüber haben wir anschließend gemeinsam diskutiert. Ein Informatiklehrer vermutet, dass sich die Themen nur schwer in den normalen Informatik-Unterricht integrieren lassen. Er könnte sich projektbezogene Programmieraufgaben vielmehr innerhalb einer AG vorstellen. Da es an seiner Schule auch eine Streuobst-AG gibt, wäre hier ein Gemeinschaftsprojekt denkbar.
Auch für außerschulische Lernorte wie Schülerforschungszentren wäre die automatisierte Insektenerkennung als interdisziplinäres Forschungs- und Programmier-Projekt für Jugendliche interessant.
Da wir das Wingbeat-Modul derzeit mit sehr kleinen Bauteilen realisieren (SMD), die sich fürs händische Löten nicht so gut eignen, wäre die Umsetzung mit einem Breadboard und Steckverbindungen denkbar. Damit wäre das Thema durchaus Lernstoff schon für die Klassenstufen 9 und 10 im Physikunterricht, in NWT oder im Rahmen einer Technik-AG.
Die Lehrenden waren begeistert von der Möglichkeit, hier Forschung praktisch ausprobieren zu können und entwickelten sogleich Ideen, wie sich das Thema in ihrer Schule umsetzen lässt. Dabei waren sich alle einig, dass sie die Hardware zunächst selbst zusammenbauen und die Software testen möchten, um sie dann später im Unterricht passend einsetzen zu können.
Insekten-Monitoring auch an deiner Schule?
Wenn du mit Lernenden arbeitest, jetzt neugierig geworden bist und das Thema Insektenerkennung mit KI auch in deinem Unterricht einsetzen möchtest, schreib uns gerne eine Mail oder tausche dich mit uns und anderen Lehrenden in unserem Forum aus.
Die Bauanleitungen und Materiallisten werden wir demnächst bei Gitlab veröffentlichen. Wir empfehlen dir, unseren Newsletter oder unseren Blog per RSS zu abonnieren, damit du über die neuesten KInsecta-Entwicklungen auf dem Laufenden bleiben kannst.
Headerbild und Fotos: Nicola Wettmarshausen, CC-BY-NC-ND